Zu den größten Herausforderungen des 21. Jahrhundert gehört neben Bevölkerungswachstum und Klimawandel die Verdichtung urbanen Lebens. Räumliche und infrastrukturelle Grenzen zwischen Stadtzentrum und peri-urbanem Raum verwischen sukzessive. Gleichzeitig können die zunehmende Verknappung der Anbauflächen und das prognostizierte Wachstum der Weltbevölkerung weder durch den laufenden Fortschritt in der Tier- und Pflanzenzüchtung noch durch eine maximale Effizienzsteigerung in der großflächigen Agrarproduktion kompensiert werden.
Unsere Vision von Agrarsystemen der Zukunft basiert auf der Grundidee einer Nahrungsmittel-produktion in miteinander verbundenen, kommunizierenden und standardisierten Produktionsmodulen, den sogenannten CUBES. Diese CUBES sind die Basis eines geschlossenen Systems, das aufgrund seiner ISO-genormten, stapelbaren Grundform und seines biokybernetischen Regelungsansatzes die Schwächen vergangener Agrarproduktionssysteme überwindet und sich integrativ in eine urbane Zukunft einfügt. Aufgrund seiner mobilen Natur, der einfachen Anpassbarkeit an die sich schnell wandelnde urbane Umgebung und der systeminhärenten Skalierbarkeit können die CUBES gleichermaßen auf ruralen, urbanen und sogar desertifizierten Standorten eingesetzt werden. Wir wollen Grundsätze verschiedener geschlossener Kulturverfahren in eine neue Prozesskette integrieren. Dabei ist von entscheidender Bedeutung, dass die einzelnen Glieder der Kette intelligent miteinander vernetzt und geregelt werden. Dadurch lassen sich Synergien ausnutzen und in Anlehnung an das „Triple Zero®"-Konzept eine Produktion ohne Zusatzstoffe, ohne Emissionen und ohne Abfallstoffe erreichen.
Das Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik der TU Braunschweig gestaltet aktiv die Zukunft urbaner Nahrungsmittelproduktion mit. Im Fokus steht die umfassende Bewertung von Nachhaltigkeit und Standortfaktoren im urbanen Agrarsystem CUBES Circle. Ziel ist es, eine zukunftsfähige, kreislauforientierte Nahrungsmittelproduktion ganzheitlich zu analysieren und weiterzuentwickeln. Zur ganzheitlichen Planung werden materielle und immaterielle Flüsse (Medien, Energien und Daten) zwischen einzelnen CUBES sowie zwischen den CUBES Verbünden und ihrer Umgebung betrachtet (u.a. mittels Simulation).
Im Bereich des Life Cycle Engineering liegt der Schwerpunkt auf der Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsbewertung. Ein bereits entwickeltes Life Cycle Assessment (LCA) wird um die modulare Bewertung der Umweltwirkungen verschiedener Produkte (bspw. Tomaten vs. Paprika) ergänzt. So lassen sich ökologische Hotspots innerhalb der Produktion im CUBES Circle frühzeitig identifizieren und optimieren. Weiterführend wird eine Live-LCA entwickelt, welche auf Echtzeitdaten aus dem Pilotbetrieb in Berlin-Dahlem zurückgreift. Diese dynamische Nachhaltigkeitsbewertung schafft die Grundlage für eine transparente und anpassungsfähige urbane Nahrungsmittelproduktion und erlaubt tiefgehende Analysen zu den Wechselwirkungen zwischen Umweltwirkungen, Produktionsparametern und Umgebungseinflüssen.
Darüber hinaus wird das System im Sinne der absoluten Nachhaltigkeit bewertet: Dabei steht die Frage im Vordergrund, ob und wie das System innerhalb der planetaren Belastungsgrenzen operieren kann. Ziel ist es, mit CUBES Circle eine ökologisch tragfähige und dauerhaft nachhaltige Nahrungsmittelproduktion im Einklang mit den planetaren Grenzen und gesellschaftlicher Verantwortung zu entwickeln.
Ergänzend zur ökologischen Betrachtung stehen auch ökonomische, räumliche und strukturelle Aspekte im Fokus. Die Analyse potentieller Standorte für CUBES Circle berücksichtigt neben Skalierungseffekten und Investitionskosten auch urbane sowie periurbane Ressourcenströme. Dabei werden stoffliche und energetische Synergien mit angrenzenden Industrie- und Infrastruktursystemen identifiziert, um ressourceneffiziente und zirkuläre Lösungen in Stadtentwicklung, Landwirtschaft und Nahrungsmittelsystemen voranzutreiben.