Perlen (November)

[Abb. 1] Magaritae orientales

Objekt des Monats

An dieser Stelle stellen wir in regelmäßigen Abständen besonders interessante Objekte aus der pharmaziehistorischen Sammlung Braunschweig vor. Neben dem großen, von Wolfgang Schneider in den 1950er Jahren begonnenen Bestand der Forschungssammlung befinden sich heute auch Objekte aus pharmakognostischen Sammlungen sowie aus verschiedenen Apotheken des 19. und 20. Jahrhunderts im Bestand. Auf der rechten Seite finden Sie einige Objekte aus den vergangenen Monaten!

„Sie verhalten den Frauen ihre Zeit“ (Perlen)

[Abb. 2] Zu kleinen Kegeln geformtes Pulver aus Perlen. Inv. Nr. 14/A Margaritae praep.
[Abb. 2] Zu kleinen Kegeln geformtes Pulver aus Perlen. Inv. Nr. 14/A Margaritae praep.

Perlen (Uniones), die Konkretionen aus Muscheln, waren im 16. bis 18. Jahrhundert Bestandteil vieler Arzneikompositionen. Zu feinen Pulvern bzw. kleinen Kegeln präpariert oder als Magisterium kamen sie meist in Kombination mit anderen Substanzen zum Einsatz.

In die Arzneitherapie eingeführt hatten sie arabische Mediziner. Verwendet wurden Margaritae orientales, ostindische Perlen (Abb.1) oder Margaritae occidentales, westindische Perlen. Die orientalischen Perlen der Sammlung als auch das Präparat (Abb. 2) stammen aus Perlenmuschel von Mytilus margaritiferus L. In Pharmakopöen des 19. Jahrhunderts sind sie nicht mehr enthalten.

Küchlein mit Perlen, Perlenmilch, Meisterpulver aus Perlen, Krafttrank mit Bezoar, aufgelösten Perlen und Korallen sind nur einige der Zubereitungen, die im 17. Jahrhundert aus der Hofapotheke an den Wolfenbütteler Hof gingen, wie die Datenbank „Arznei und Confect. Medikale Kultur am Wolfenbütteler Hof“ aufzeigt. (http://diglib.hab.de/edoc/ed000176/startx.htm)
Aus der Anwendungsvielfalt der Perlen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts können hier nur einige Beispiele aufgezeigt werden.
Adam Lonitzer (1528-1586) beschrieb die Verwendung der Perlen zur Herzstärkung, gegen Herzzittern und Schwindel.  Manus Christi cum perlis (Perlenzucker) propagierte er bei Ohnmacht. Perlen „sind auch gut wieder den Blutfluß und die rothe Ruhr. Sie verhalten den Frauen ihre Zeit und machen schöne Zähne.“

[Abb. 3] „Pulvis contra abortum“ aus Dispensatorium Brandenburgicum (1698)

Oswald Croll (1580-1609) listet gleich 16 Indikationen für ein „Perlensalz“ auf, welches er als die „aller edelste Hertz Artzney“ bezeichnet, die „Auro potabili [Trinkgold] in der Temperatur und Würckung am aller nächsten“ kommt.  Am Ende der Auflistung schreibt er: „Und sterckt das Kind in Mutter Leib“.
„Die Zeit zu verhalten“ und das Kind im Mutterleib zu stärken sind vermutlich Gründe, warum Perlen in einer sehr wichtigen Arzneikomposition, die in keinem Arzneibuch dieser Zeit fehlte, enthalten war: Mittel gegen den drohenden Abort. Das „Pulvis contra abortum“ (Abb.3.) hielt neben präparierten Perlen und Perlenzucker viele weitere kostbare Ingredienzen wie Elfenbein, rote und weiße Koralle und pflanzliche Bestandteile.

In Pulverform wurden sie auch als Mittel verwendet, die im „Körper Schärfen oder Säuren binden“ sollten. Zu solchen “Absorbentia“ gehörten auch Korallen, Krebsaugen oder „oculi cancrorum“, eigentlich Konkretionen aus dem Magen des Flusskrebses,  und Perlmutt, „mater perlarum“. Heute wissen wir, dass diese Animalia Calciumcarbonat enthalten. Medizinisch wird Calciumcarbonat heute noch als Antazidum eingesetzt und ist wichtiger Calciumlieferant. Allerdings stammt dieser Mineralstoff aus Bodenschätzen. Als Base neutralisiert sie die Magensäure und reduziert Magenbrennen und saures Aufstoßen (gastroösophagaler Reflux).

Von Anette Marquardt