Brokatpapier (September)

[Abb.1] Ganzer Bogen im Format 36 x 44 cm.

Objekt des Monats

An dieser Stelle stellen wir in regelmäßigen Abständen besonders interessante Objekte aus der pharmaziehistorischen Sammlung Braunschweig vor. Neben dem großen, von Wolfgang Schneider in den 1950er Jahren begonnenen Bestand der Forschungssammlung befinden sich heute auch Objekte aus pharmakognostischen Sammlungen sowie aus verschiedenen Apotheken des 19. und 20. Jahrhunderts im Bestand. Auf der rechten Seite finden Sie einige Objekte aus den vergangenen Monaten!

Luxusware im 18. Jahrhundert: Brokatpapier

[Abb.2] Zweige mit Blüten, Trauben und Granatäpfeln und Teile der Signatur.

Das Objekt für den September 2023 ist ausnahmsweise keine pharmazeutische Substanz, sondern ein kostbarer Gegenstand, der in anderer Weise mit der Pharmaziegeschichte verbunden ist: Das Brokatpapier.
Solche Brokatpapiere sind mit einem Dekor aus gold-, silber- oder bronzefarbenen Blattmetallfolien versehen. Aufgebracht wurden sie im Prägedruckverfahren, bei dem das Trägerpapier mit der Folie bedeckt in einer Kupferdruckpresse mit einer erhitzten, gravierten Kupferplatte bedruckt wurde.  Das reliefartige Motiv dieses Bogens zeigt Zweige mit Blüten und Früchten (Granatäpfel, Trauben) im bronzefarbenen Negativdruck auf Büttenpapier. Durch eine erhaltene Signatur „AVGSP BEI JOHAN WILHELM MEYER NO1.“ lässt sich das Papier dem Augsburger Brokatpapierverleger und Türkischpapiermacher Johann Wilhelm Meyer (1713-1784)  (auch Meyr, Mayr, Maeyr) zuordnen.
Dieser Bogen, sowie ein weiterer von Johann Wilhelm Meyer, stammt aus dem Nachlass der Familie Heinrici, ehemals Besitzer der Apotheke zum Blauen Hirsch in Halle und wurde der Abteilung für Pharmazie- und Wissenschaftsgeschichte der Technischen Universität Braunschweig durch Schenkung überlassen. Walter Heinrici (1868-1946) leitete die Apotheke bis 1934 und war einer der ersten bedeuteten pharmaziehistorischen Sammler in Deutschland.

[Abb.3] Haus- oder Reiseapotheke

Bestände seiner umfangreichen Privatsammlung befinden sich heute im Deutschen Apothekenmuseum in Heidelberg. Sie kamen 1938 in das neu gegründete Museum, als es sich noch in München befand und bildeten dessen Grundstock.

Wofür wurde dieses besondere und kostbare Papier überhaupt und im pharmaziehistorischen Kontext verwendet? Nach Albert Haemmerle diente es zum Auskleiden von Kästchen, Schatullen, Koffern und Schränken. Besondere Bedeutung hatte es aber beim Bucheinband als Vorsatzpapier, Broschierumschlag oder Einbandpapier. Die Buchform des Stammbuches, die man heute als Freundschaftsbuch bzw. Poesiealbum bezeichnen würde, gibt es seit mehr als 450 Jahren. Dass solche Stammbücher mit Brokatpapieren ausgestattet wurden, zeigt besonders deutlich die Digitale Sammlung der Herzogin Anna Amalia Bibliothek im Weimar.
Beispiele für den Einsatz in der Apotheke lassen sich bei historischen Haus- oder Reiseapotheken aus dem 18. Jahrhundert finden. In den verschließbaren Holzkästchen mit schmiedeeisernen Beschlägen und aufklappbaren Seitenteilen und Schubladen konnten die Arzneien in Vierkantflaschen gut geschützt transportiert werden. Hier waren die Deckel der hölzernen Arzneikästchen häufig mit Brokatpapier ausgekleidet.

Brokatpapiere zählen zu den prächtigsten der Gruppe der Buntpapiere. Bedeutende Buntpapiersammlungen befinden sich in Privatbesitz von Adelheid Schönborn sowie im Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Wertheim. Auf der gemeinsamen Seite Buntpapier-Sammlungen (buntpapiersammlungen.org) sind weitere von Johann Wilhelm Meyer zu sehen.

Von Anette Marquardt

Wir danken Dr. Henry Bosse, Lingen für die großzügige Überlassung dieser und weiterer Objekte und Schriften aus der „Apotheke zum Blauen Hirsch“ in Halle.