Einfluss von biogeomorpologischen Rauheitselementen in Unterhaltungs- & Klimaszenarien
Das Projekt CoastalFutures II ist ein Beitrag zur DAM-Mission "Schutz und nachhaltige Nutzung mariner Räume" und adressiert das Missionsthema III "Modellbasierte Untersuchungen zukünftiger Nutzungsszenarien". Das Projekt entwickelt und simuliert zukünftige Nutzungsszenarien in Nord- und Ostsee, einschließlich der Küstengebiete und Flussmündungen. Es untersucht die Effizienz heutiger Schutzmaßnahmen und entwickelt neue Managementoptionen unter sich ändernden Klimabedingungen zusammen mit Interessenvertretern aus Verwaltung, Industrie und der Öffentlichkeit. Das Projekt konzentriert sich auf Klimaauswirkungen und den Nutzungsdruck durch (1) Offshore-Erzeugung von erneuerbarer Energie, (2) Fischerei, (3) naturnahen Küstenschutz und (4) Eutrophierung von Land. Die künftige Entwicklung des maritimen Sektors wird auf der Grundlage nationaler und EU-Strategien unter Berücksichtigung potenzieller technologischer Trends und operativer Innovationen skizziert. Globale Szenarien werden an den regionalen und sektoralen Kontext angepasst, und in räumlich explizite Zukunftsszenarien für ausgewählte Managementsektoren übersetzt. In der zweiten Phase liegt der Fokus auf der Durchführung und Analyse von Szenario-Simulationen, um zur nachhaltigen Entwicklung von Meeres- und Küstengebieten beizutragen.
Das Teilprojekt der Technischen Universität Braunschweig untersucht hierbei den Einfluss von biogeomorpologischen Rauheitselementen in Unterhaltungs- & Klimaszenarien. Hierbei liegt der Fokus auf der hydrodynamischen Rauheit von Siedlungsflächen von neubiotischen und invasiven Muscheln, die in den vergangenen 10 Jahren insbesondere in den weiten Wattbereichen der Nordsee enorm in ihrer Ausdehnung gewachsen sind. Untersuchungen zur Pazifischen Auster Magallana gigas (Phase I) werden um eine weitere neubiotische Muschelart erweitert: die Amerikanische Trogmuschel Mulinia lateralis.
M. lateralis ist erst kürzlich in das deutsche Wattenmeer eingewandert (erste Funde in 2017; Klunder (2019)), kann jedoch in Abundanzen von mehreren tausend Individuen pro Quadratmeter vorkommen. Die endobenthischen Muscheln siedeln dicht unter der Sedimentoberfläche, wobei ihre Schalen oft teilweise in die Wassersäule hineinragen und die Grenzschicht unter Wellen und Tideströmungen beeinflussen. Es wird daher die Hypothese aufgestellt, dass diese Art eine dichte Schicht aus Biomasse bildet, die die Sedimentmobilität stark reduziert oder sogar unterdrückt, was sich in erster Linie auf das gesamte Sedimenttransportpotential im Wattenmeer auswirkt.
Im Rahmen des Teilprojektes werden mithilfe experimenteller Modellierung Daten zur Wechselwirkung der Siedlungsflächen der M. lateralis mit der Hydrodynamik sowie des Erosionsbeginns des anstehenden Sediments sowie einzelner Muschelindividuen gesammelt. Dazu werden zunächst in Feldstudien Daten der Populationsdynamik, Oberflächen-beschaffenheit und Sedimentzusammensetzung gezielt ergänzt. Basierend auf diesen Daten werden im Anschluss im Versuchslabor repräsentative Oberflächenverteilungen der Muscheln hydrodynamischen Belastungen ausgesetzt. Aus den Ergebnissen werden im Anschluss parametrische Funktionen der Auswirkungen auf die Hydro- und Morphodynamik entwickeln. Basierend auf den parametrischen Funktionen wird das in Phase I entwickelte regionale Modell zur Untersuchung der Auswirkung von Austernriffen auf Hydro- und Morphodynamik um Siedlungsflächen der M. lateralis erweitert. Anschließend wird anhand von Modellierungen von Szenarien das potenzielle Ausbreitungsgeschehen projizieren und die Auswirkungen möglicher Handlungsoptionen auf die Hydro- und Morphodynamik untersucht.
Angesichts der zu befürchtenden (schnellen) Ausbreitung dieser neuen Art in der Nordsee und der potentiellen Überprägung der Siedlungsflächen der heimischen Herzmuschel (Craeymeersch et al., 2019; Klunder, 2019; Gismann et al., 2023), ist ein Verständnis der funktionellen Wirkung der Art auf das empfindliche Wattenmeer von hoher wissenschaftlicher aber auch gesellschaftlicher Relevanz.
Referenzen
Craeymeersch, J. A., Faasse, M. A., Gheerardyn, H., Troost, K., Nijland, R., Engelberts, A., et al. (2019). First records of the dwarf surf clam Mulinia lateralis (Say, 1822) in Europe. Mar Biodivers Rec 12. doi: 10.1186/s41200-019-0164-7
Klunder, L. (2019). Distribution of the Dwarf Surf Clam Mulinia Lateralis (Say, 1822) in the Wadden Sea after First Introduction. Bioinvasions. Rec. 8, 818–827. doi: 10.3391/bir.2019.8.4.10
Gismann, L., Wenke, L.-K., Uhlir, C., Martínez Arbizu, P., and Wehrmann, A. (2023). Status and Occurrence of the Non-Indigenous Dwarf Surf Clam Mulinia lateralis (Say, 1822) in the Central Wadden Sea (Southern North Sea) — A Systematic Survey. Mar. Biodivers. 53, 83. doi: 10.1007/s12526-023-01381-w