Session 7

Saturday, the 11th of September, 10.30-11.30 Uhr

Klümper, L., Wühr., P., Hassebrauck, M. & Schwarz, S.

Eine evolutionäre Perspektive auf die automatische Verarbeitung Partnerwahl- relevanter Merkmale.

Entsprechend der Sexual Strategies Theorie (Buss & Schmitt, 1993) unterscheiden sich Frauen und Männer (als Perceiver) in der Gewichtung der physischen Attraktivität bei der Bewertung potenzieller Partner*innen. Männern ist die physische Attraktivität einer Partnerin im Selbstbericht wichtiger als Frauen, wohingegen Frauen den Eigenschaften des Status und der Ressourcen eines potentiellen Partners größere Bedeutung beimessen (Buss & Schmitt, 1993; Schwarz & Hassebrauck, 2012; Schwarz et al., 2020; Wang et al., 2018). Die meisten Befunde, die die evolutionär begründeten Geschlechtsunterschiede unterstützen, basieren auf dem Selbstbericht und beschreiben kognitive Prozesse höherer Ordnung (Partnerpräferenzen). Wird jedoch angenommen, dass es sich um psychologisch adaptierte Prozesse handelt, liegt der Schluss nahe, dass die menschliche Informationsverarbeitung adaptiv auf partnerwahlrelevante Aspekte ausgerichtet ist, sodass zum Beispiel das Ausmaß an Automatizität in der Verarbeitung partnerwahlrelevanter Merkmale beeinflusst sein könnte (z.B. Bargh, 1994; Moors & De Houwer, 2006; Posner & Snyder, 1975). Im Bereich der physischen Attraktivität nahmen sich bislang zwei empirische Studien der Frage an, ob die Verarbeitung der physischen Attraktivität automatisch im Sinne der Kapazitätsfreiheit abläuft. Rellecke et al. (2011) fanden bei männlichen und weiblichen Personen Hinweise auf einen kapazitätsfreien Prozess, wohingegen Jung et al. (2012) bei einer rein weiblichen Stichprobe keine Kapazitätsfreiheit feststellen konnten. Beide Studien konzentrierten sich fast ausschließlich auf die Eigenschaften der Targets und vernachlässigten mögliche Target x Perceiver Interaktionen, die durch Forschungsergebnisse zur evolutionär begründeten Partnerwahl nahegelegt werden. Zur Aufklärung der uneinheitlichen Ergebnisse wurden zwei empirische Studie durchgeführt (Studie 1,n= 73; Studie 2,n= 94), die mittels eines klassischen kognitiven Paradigmas, dem Psychological Refractory Period Paradigma, die Vorhersagen zur kapazitätsfreien Verarbeitung der physischen Attraktivität aus dem Flaschenhals-Modell durch Vorhersagen zu intersexuellen Unterschieden in der Relevanz der physischen Attraktivität bei der Partnerwahl ergänzten (Klümper et al., 2020). Es wurde angenommen, dass Männer keine zentralen Aufmerksamkeitsressourcen für die Verarbeitung der physischen Attraktivität weiblicher Targets benötigen. Hingegen sollten Männer bei männlichen Targets sowie Frauen bei sowohl männlichen als auch weiblichen Targets zentrale Aufmerksamkeitsressourcen benötigen. Um diese Annahmen zu prüfen, mussten Versuchspersonen zwei, um die zentrale Aufmerksamkeit konkurrierende reaktionszeitbasierte Aufgaben bearbeiten. In der ersten Aufgabe (T1) sollte die Höhe eines auditiven Tons eingeschätzt werden, wobei in der zweiten Aufgabe (T2) die physische Attraktivität von Gesichtern gegengeschlechtlicher (Studie 1) oder gleichgeschlechtlicher (Studie 2) Targets eingeschätzt werden sollte. Es wurde zum einen der Zeitpunkt des Beginns der T2 manipuliert (stimulus onset asynchrony, SOA) sowie die Schwierigkeit der Einschätzung der physischen Attraktivität. Es zeigte sich, dass für männliche Personen die Schwierigkeit von T2 keinen Effekt auf die Reaktionszeiten bei kurzen SOAs hatte, wenn sie weibliche Gesichter einschätzen sollten. Hingegen zeigten sich additive Effekt der Schwierigkeit bei männlichen Gesichtern. Ebenfalls lagen additive Effekte der Schwierigkeit und SOA bei weiblichen Personen vor, die männliche oder weibliche Targets einschätzen sollten. Dieses Ergebnismuster deutet darauf hin, dass die Verarbeitung der physischen Attraktivität nur für Männer automatisch ist, wenn sie potentielle Partnerinnen beurteilen. Diese Ergebnisse ergeben aus einer evolutionären Perspektive auf die unterschiedlichen Partnerwahlstrategien von Männern und Frauen Sinn und unterstützen eine wechselseitige Bereicherung von evolutionspsychologischen und kognitiven Theorien. 

 

Adler, D.C. & Eckenberger, J.

Two Big Pieces in One Piece. Die Wirkung supernormal inszenierter Anime-Frauen.

Supernormale Stimuli lösen instinktiv intensivere Reaktionen hervor als normale (Vidya, 2018), bspw. bei sexuellen Hinweisreizen (Brüste, Hüfte; Pazhoohi et al., 2020). Finden lassen sich supernormale Stimuli auch in der japanischen Anime- und Mangawelt. Neben dem auffälligen Zeichenstil (bspw. unrealistisch große Augen; Takahashi, 2008) sind Anime und Manga durch die zumeist sexualisierten weiblichen Charaktere bekannt (Reysen et al., 2017). Beispielsweise hat die Figur Nami in One Piece seit Erstausstrahlung stark an Oberweite gewonnen (blinded for review). Der vorliegende Beitrag untersuchte die Wahrnehmung derart supernormaler Darstellungen in One Piece und stellt die Frage, ob (extrem) supernormal proportionierte Anime-Frauen, u.a. in Abhängigkeit des Geschlechts der Betrachter, stets attraktiver eingestuft werden. Hierfür wurden Bilder von fünf weiblichen Charakteren aus One Piece hinsichtlich der Brustgröße manipuliert (normal vs. supernormal vs. extrem supernormal)–orientiert an einem natürlichen Verhältnis sowie den originalen One Piece Größenverhältnissen. Mittels Online-Fragebogen betrachteten ProbandInnen alle drei Bedingungen und bewerteten u.a. Attraktivität, Sexyness und Treue der Charaktere (übers. nach Hudders, et al. 2014). Insgesamt vollendeten N = 304 ProbandInnen die Befragung. Nach Filterung (bspw. männlich oder weiblich, Kennen Anime, ...) ergibt sich ein finales N = 283 (nf = 138, Mage = 24.31, SDage = 4.30). Die fünf Bewertungen wurden pro Bedingung gemittelt. Eine 2 (Geschlecht) x 3 (Supernormalität) Mixed ANOVA zeigt, dass sich die Attraktivitätseinschätzung in Abhängigkeit der Körperproportionen signifikant voneinander unterscheiden, F(2,562) = 4.79, p < .01, ηp2 = .017. Supernormal proportionierte Anime-Frauen (Mm = 64.67, Mf = 52.55) werden attraktiver eingestuft als normale (Mm = 62.78, Mf = 52.45) oder extrem supernormale Anime-Frauen (Mm = 63.17, Mf = 50.49). In der Gesamtbewertung unterscheiden sich lediglich die supernormalen Figuren signifikant zu den extrem supernormalen Figuren. Männer stufen Anime-Frauen generell attraktiver ein, F(1,281) = 29.82, p < .001, ηp2 = .096. Die Interaktion ist nicht signifikant (p = .10). Effekte lassen sich zudem für die Sexyness sowie die Treue feststellen. Zwar konnte die Studie aufzeigen, dass Supernormalität einen Effekt auf die Attraktivitätseinschätzung sowie weitere Bewertungskriterien hat, jedoch geht mit steigender Supernormalität keine lineare Zunahme der Attraktivität einher. Vielmehr scheint von einer U- förmigen Kurve auszugehen. Diese Annahme gilt es jedoch in weiterführender Forschung zu prüfen.