Leistungssteuerung

Data Envelopment Analysis – mehr als nur Benchmarking

von Heinz Ahn, erschienen in: Controller Magazin (2014), Jahrgang 39, Heft 5, S. 63–65

Die Data Envelopment Analysis (DEA) ist ein ergiebiger Ansatz zur vergleichenden Leistungsbewertung, dessen Nutzenpotenzial weit über herkömmliche Benchmarking-Instrumente hinausgeht. Die Verbreitung der DEA in der Praxis hält sich aber noch in Grenzen, was vornehmlich der Linearen Programmierung geschuldet sein dürfte, die als methodische Basis des Instruments offenbar eine hohe Einstiegsbarriere bildet. Um dem entgegenzuwirken, ist es Ziel des Beitrags, jenseits mathematischer Grundlagen1 die Stärken der DEA kurz und prägnant herauszustellen.

Charakterisierung der DEA

Die DEA lässt sich als quantitativ ausgerichtetes Controllinginstrument verstehen. Es dient der Aufdeckung und Analyse von Ineffizienzen vergleichbarer Produktiveinheiten – sogenannter Decision Making Units (DMUs). Typische Benchmarking-Objekte der DEA sind öffentliche Einrichtungen, privatwirtschaftliche Unternehmen einer bestimmten Branche bzw. Produktionsstätten eines Unternehmens.2 Deren (In-)Effizienz wird über den Quotienten aus der gewichteten Summe wünschenswerter Outputs (im Sinne zu maximierender KPIs) und der gewichteten Summe möglichst niedriger Inputs (im Sinne zu minimierender KPIs) gemessen.

Dieser Ansatz erlaubt die Berücksichtigung unterschiedlich dimensionierter, insbesondere nicht-monetärer KPIs (z. B. „Arbeitsstunden“ als Input und „Anzahl betreuter Kunden“ als Output). Dabei besteht der zentrale Vorteil der DEA darin, dass die KPIs nicht vorab durch das Management gewichtet werden müssen. Vielmehr wird diese Gewichtung im Rahmen der DEA-Anwendung quasi automatisch („modellendogen“) bestimmt, und zwar so, dass sich für die jeweils betrachtete DMU ein maximaler Effizienzgrad ergibt. Einreden, durch eine fehlerhafte Gewichtung würde eine bestimmte DMU in der Bewertung benachteiligt, sind daher gegenstandlos.

Fragestellungen, welche die DEA beantworten kann

Ein typischer Impuls zum Einsatz der DEA resultiert aus der Vermutung, dass Ineffizienzen im Produktionsprozess einzelner DMUs im Vergleich zu anderen existieren. Diesbezüglich können im Rahmen einer DEA-Analyse vor allem Antworten auf folgende Fragen gefunden werden:

  • Welches sind die effizienten DMUs?
  • Wie ineffizient arbeiten die übrigen DMUs?
  • Was sind die Ursachen ihrer mangelnden Effizienz?
  • Welche Anstrengungen muss eine ineffiziente DMU unternehmen, um effizient zu werden?
  • Wie entwickeln sich die DMUs im Zeitverlauf?

Die Beantwortung der Fragen 1 bis 3 erfordert einen Datensatz, wie er in Abbildung 1 exemplarisch aufgeführt ist. Es handelt sich um ein an einen realen Fall angelehntes Beispiel aus dem Bereich des Filialgeschäfts.3 Sind mehrperiodige Analysen gewünscht, müssen für alle zu betrachtenden Perioden solche Datensätze zur Verfügung stehen. Deren Vollständigkeit sollte gewährleistet sein, um möglichst belastbare Analyseergebnisse zu erhalten. Sofern aber nur vereinzelt Werte fehlen, tut dies dem Einsatz der DEA prinzipiell keinen Abbruch. 

Datensatz zur einperiodigen DEA-Effizienzanalyse

Abb. 1: Datensatz zur einperiodigen DEA-Effizienzanalyse


Zentrale Ergebnisse einer DEA-Analyse

Die DEA ordnet jeder DMU einen zwischen 0% und 100% liegenden Effizienzgrad zu. Seine Bedeutung hängt vom herangezogenen DEA-Modell ab. Im Beispiel wurde etwa ein inputorientiertes Modell4 für sinnvoll erachtet. Damit lassen sich die in Abbildung 2 wiedergegebenen Effizienzgrade leicht interpretieren. So weist Filiale A einen Wert von 91% auf. Aufgrund der Inputorientierung besagt dieser, dass A die beiden betrachteten Inputs simultan um mindestens (100% – 91% =) 9% senken muss, um einen Effizienzgrad von 100% zu erreichen. Analog bestehen auch proportionale Einsparpotenziale bei den Inputs der Filialen B (22%) und C (38%), während dies nicht für die Filialen D, E und F der Fall ist, die sich entsprechend durch einen Effizienzgrad von 100% auszeichnen.

Abb 2 Forschung

Abb. 2: Effizienzgrade im Zahlenbeispiel

Die DEA ermittelt ferner, an welchen Benchmarks sich die ineffizienten DMUs orientieren sollten, um effizient zu werden. So wird z. B. für Filiale C die effiziente Filiale E als Benchmark vorgeschlagen; dies resultiert daraus, dass die Input-Output-Proportionen von C vergleichsweise stark den Input-Output-Proportionen von E (und weniger denen von D sowie F) ähneln. Dagegen setzt sich der Benchmark für Filiale A aus einer Kombination der effizienten Filialen D und E zusammen; diese Kombination (rund 2/5 von D und 3/5 von E) trägt entsprechend den Input-Output-Proportionen von A Rechnung.

Über das betrachtete proportionale Verbesserungspotenzial hinaus ermittelt die DEA weitere Verbesserungspotenziale, die als Schlupf ("Slack") bezeichnet werden. Wie Abbildung 3 für das Beispiel der Filiale A zeigt, können diese ganz erheblich sein. Dort ist differenziert zwischen der notwendigen Reduktion der beiden Inputs um 9% und den zusätzlich erschließbaren (in ihrer Höhe nicht-proportionalen) Slacks. Diese weisen bezüglich des Personaleinsatzes eine weitere Einsparmöglichkeit von 18% aus, und zudem sind die sonstigen Transaktionen um 7% zu steigern.

 

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Abb. 3: Gesamtes Verbesserungspotenzial von Filiale A

DEA-basiertes Performance Management

Die DEA selbst vermittelt Einsichten in die Leistung(sfähigkeit) von DMUs und ihre Verbesserungsmöglichkeiten in Bezug auf geeignet erscheinende Benchmarking-Partner. Sie lässt sich damit als Instrument des Performance Measurements kennzeichnen. Im Rahmen eines darauf aufbauenden Performance Managements liefert ein periodischer DEA-Einsatz nun die Basis zur operationalen Performancesteuerung. Dazu bietet sich die Formulierung DEA-bezogener Zielsetzungen an, die sowohl DMU-übergreifender als auch DMU-spezifischer Natur sein können. Typische Ansatzpunkte zur Steuerung (Angaben in den Klammern nehmen jeweils Bezug zum Zahlenbeispiel) betreffen etwa

  • die Priorisierung bestimmter KPIs, die mit Blick auf die ineffizienten DMUs verbessert werden sollen (z. B. „Fokussierung auf die Steigerung der sonstigen Transaktionen“),
  • die Formulierung von Zielen für die Unternehmenszentrale (z. B.: "Erschließung von 50% des identifizierten Verbesserungspotentials des KPI Kern-Transaktionen innerhalb der nächsten 4 Perioden") sowie
  • die Schließung von Zielvereinbarungen mit ineffizienten DMUs (z. B.: "Steigerung des Effizienzgrads von Filiale C von 62% auf 80% innerhalb der nächsten 3 Perioden").

Zu den Erfolgsfaktoren neuer Steuerungsansätze zählt ihre Anbindung an Instrumente, die sich im Praxiseinsatz bereits bewährt haben. So liegt es beispielsweise nahe, die DEA mit einer auf DMU-Ebene eingesetzten Balanced Scorecard (BSC) zu verknüpfen. Dahingehend lassen sich die Zielerreichungsgrade der verschiedenen BSC-Ziele zu perspektivenspezifischen bzw. perspektivenübergreifenden Effizienzwerten verdichten. Solche DEA-Ergebnisse als festen Bestandteil in periodische Performancereports aufzunehmen, kann sehr hilfreich für die dauerhafte Etablierung der DEA im Controlling sein.

Literaturverzeichnis

Ahn, H. (2010): Effizienzmessung mittels Data Envelopment Analysis (DEA) – Ohne Expertenwissen geht es nicht!, in: Controller Magazin 35, Heft 2, S. 48–51.

Bauer, H. H./Hammerschmidt, M. (2006): Grundmodelle der DEA, in: Bauer, H. H./Staat, M./Hammerschmidt, M. (Hrsg.), Marketing-Effizienz – Messung und Steuerung mit der DEA, Konzept und Einsatz in der Praxis, München, S. 33–59.

Dyckhoff, H./Gilles, R. (2004): Messung der Effektivität und Effizienz produktiver Einheiten, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 74. Jg. Heft 8, S. 765–783.

Hülsmann, S./Peters, M. L. (2007): Data Envelopment Analysis im Bankgewerbe – Theorie und praktische Anwendung, Saarbrücken.

Jarzebowski, S. (2011): The Efficiency of Grain Milling Companies in Poland and in Germany – Application of DEA Method and Malmquist Index, Bonn.

Staat, M. (2000): Der Krankenhausbetriebsvergleich – Benchmarking vs. Data Envelopment Analysis, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 70. Jg., Ergänzungsheft 4, S. 123–154.

Fußnoten

1 Vgl. dazu z. B. Bauer/Hammerschmidt (2006) und weiterführend Dyckhoff/Gilles (2004).

2 Beispiele hierzu finden sich etwa in Staat (2000) zu Krankenhäusern, in Jarzebowski (2011) zu Kornmühlen und in Hülsmann/Peters (2007) zu Filialen einer Bank.

3 Vgl. auch Ahn (2010).

4 Es wurde das sogenannte BCC-I-Modell herangezogen; vgl. z. B. Bauer/Hammerschmidt (2006), S. 54f.