Neue Ansätze in der Auslegung von 1g-Flügelstrukturen, zu sauber verbrennenden Flugtreibstoffkombinationen, zur additiven Fertigung orbitaler Fachwerkstrukturen, zum Vermeiden von Plasmablackouts beim Wiedereintritten von Raumfahrtzeugen sowie zur Integration von Kabinenlärm in den Flugzeugentwurfsprozess – fünf Forschungsarbeiten aus verschiedenen Bereichen der Luft- und Raumfahrt leisten hierzu herausragende Beiträge. Sie wurden mit dem Hermann-Blenk-Forscherpreis, dem Karl-Doetsch-Nachwuchspreis sowie dem VDI Luft- und Raumfahrtpreis ausgezeichnet. Die Preisverleihung fand im Rahmen des Forschungstags des Niedersächsischen Forschungszentrums für Luftfahrt (NFL) am 27. November 2025 in Braunschweig statt.
Der VDI Luft- und Raumfahrtpreis ging in diesem Jahr an Pia Allebrodt für ihre Masterarbeit zur Integration der Kabinenakustik in den multidisziplinären Flugzeugvorentwurfsprozess. Die Anforderungen an das klimaneutrale Fliegen erfordern den Einsatz innovativer und nachhaltiger Technologien, speziell in den Bereichen der Aerodynamik und des Antriebes. Diese sind jedoch als dominante Ursache für den Kabinenlärm zu identifizieren, welcher angesichts der zunehmenden Anforderungen an den Passagierkomfort eine zentrale Rolle bei dessen Bewertung spielt. Um die steigenden Anforderungen an die Kabinenakustik mit den Zielen eines nachhaltigen und effizienten Flugzeugkonzepts zu vereinen, stellt die multidisziplinäre Entwurfsanalyse und -optimierung eine etablierte Methode im Flugzeugvorentwurf dar. In diesem Kontext erarbeitete Pia Allebrodt in ihrer Masterarbeit auf Basis der Finite Elemente Methode eine Methodik zur zuverlässigen und recheneffizienten Kabinenlärmvorhersage, die eine Integration in den multidisziplinären Flugzeugvorentwurf erlaubt. Die Anwendbarkeit und Erweiterbarkeit ihrer entwickelten Methodik konnte sie dabei anhand vereinfachter Flugzeugvorentwurfsprozesse aufzeigen. Somit ermöglicht die Arbeit von Frau Allebrodt eine optimierte Abstimmung zwischen den Anforderungen an den Gesamtentwurf und den Passagierkomfort und leistet damit einen bedeutsamen Beitrag zur ganzheitlichen Betrachtung des Flugzeugentwurfs, der die Kabinenakustik als zusätzliche Disziplin effektiv integriert.
Einen wesentlichen Beitrag zur Herstellung orbitaler Fachwerkstrukturen leistete Fynn Luca Lampe in seiner Bachelorarbeit am Institut für Raumfahrtsysteme der TU Braunschweig. Hierbei entwickelte er mechanische, elektrische und informationstechnische Schnittstellen zwischen einem Roboterarm, einer Steuereinheit und einem Schweißgerät, um die grundlegenden Funktionen eines Metalldruckers im Wire Arc Additive Manufacturing Verfahren herzustellen. Dabei wird ein metallisches Filament mittels eines Lichtbogens aufgeschmolzen und schichtweise zur Herstellung von Bauteilen aufgetragen. Herr Lampe schaffte es nicht nur erfolgreich die Funktionalität des Druckers zu gewährleisten, sondern war zusätzlich in der Lage weitere Funktionen wie die Verwendung verschiedener Energiequellen zu integrieren. Darüber hinaus hat er eine Parameterstudie durchgeführt, um die optimalen Betriebsparameter des Druckers zu identifizieren.
Ein weiterer Karl-Doetsch-Nachwuchspreis ging in diesem Jahr an Herrn Léon Lüer mit seiner herausragenden Masterarbeit zur aktiven Vermeidung von Plasmablackouts während des Wiedereintritts von Raumfahrzeugen am Hypersonics Research Laboratory des MIT und dem Institut für Strömungsmechanik der TU Braunschweig. Beim atmosphärischen Wiedereintritt werden Raumfahrzeuge von einer ionisierten Plasmaschicht umgeben, die die Kommunikation stören oder vollständig blockieren kann. Dieses Phänomen des Plasmablackouts stellt kapselförmige Wiedereintrittsfahrzeuge vor erhebliche Herausforderungen. Eine vielversprechende Methode zur Minderung dieses Problems mit geringen Auswirkungen auf die Fahrzeugkonfiguration ist die Injektion von elektrophilem Gas stromaufwärts vor der Antenne. In seiner Masterarbeit konnte Herr Lüer im Rahmen von Hyperschallströmungssimulationen mit reaktiven Gasen zeigen, dass die Injektion von Schwefelhexaflourid ein praktikabler und vielversprechender Ansatz ist, um die Elektronenzahldichte in schwach ionisierten, hochenthalpischen Querströmungen signifikant zu reduzieren und so eine sichere Kommunikation bei wiedereintretenden Raumkapseln zu gewährleisten. Herr Lüer leistete somit einen wichtigen Schritt zur Entwicklung elektrophiler Gasinjektionssysteme und Steigerung der Missionssicherheit von Raumfahrzeugen.
Dr.-Ing. Yannic Beyer untersuchte am Institut für Flugführung der TU Braunschweig einen neuen Ansatz zur aktiven Böenlastabminderung bei Flugzeugtragflächen. Aktuell werden Flugzeugflügel in der Regel auf starke Turbulenzen von mehreren g Belastung ausgelegt. Als Folge wird viel Material und damit Gewicht verbaut. In seiner Dissertation hat Dr. Beyer ein mathematisches Modell entwickelt, mit dem bei bekannten Turbulenzen, aktive Aktuatoren im Flügel angesprochen werden, die den Flügel versteifen und somit die Last auf ca. 1g ausgeglichen werden kann. Dabei hat Herr Beyer hat einen nichtlinearen dynamischen Inversionsalgorithmus mit Aktuatoren modelliert und diesen in Matlab implementiert. Zusätzlich schuf er eine spezifische Simulationsumgebung zur Validierung des Verfahrens. In verschiedenen Szenarien konnte dabei nachgewiesen werden, dass sich die Flügelbelastung auf 1g reduzieren lässt. Somit erlaubt der Ansatz eine signifikante Material- und Gewichtsersparnis, welche wiederum eine entsprechende CO2–Reduktion in der Luftfahrt mit sich bringt. Hervorzuheben ist dabei auch, dass sowohl die Arbeit als auch der Algorithmus und die Simulation öffentlich zur Verfügung gestellt wurden.
Dr.-Ing. Paul Zimmermann wiederum untersuchte am Institut für Technische Verbrennung der LU Hannover die Stabilitätsgrenzen von neuen Treibstoffkombinationen in Vormischflammen von Flugzeugtriebwerken. Das Novum seiner wissenschaftlichen Arbeit war dabei die Anforderung, dass der Brennstoff eine möglichst vollständige und saubere Verbrennung ermöglichen sollte, sodass weder Rußpartikel noch Stickoxide emittiert werden, die ebenfalls zur Treibhausgasproblematik beitragen. Es war somit das Ziel seiner Arbeit, einen Brennstoff zu finden, der einen deutlich schadstoffärmeren vorgemischten Verbrennungsmodus auf Basis des Lean Premixed Prevaporized (LPP) Brennverfahrens ermöglicht. Damit leistet seine Arbeit einen überaus wertvollen Beitrag zur Umweltverträglichkeit der zukünftigen Luftfahrt. Herr Zimmermann hat an einem Versuchsstand die Stabilitätsgrenzen von zwei Brennstoffklassen - Propanol und Butanol - untersucht, die aufgrund ihrer kurzkettigen chemischen Struktur potenziell viel stabiler als langkettiges Kerosin sind. Dabei hat er die Messmöglichkeiten für die Flammenrückschlags- und die Flammen-abhebegrenze deutlich erweitert und Unterschiede der Flammenstabilität von Iso- und n-Propanol beziehungsweise von iso-, sec- und n-Butanol herausgearbeitet, sodass auch eine genaue Zuordnung der Molekülstruktur zur Flammenstabilität möglich ist. Mit der hohen wissenschaftlichen Qualität seiner Arbeit konnte Dr. Zimmermann in diesem Jahr nicht nur den Vorstand des NFL, sondern auch die diesjährigen externen Gutachter überzeugen.