Abwehr und Anpassung - die Tricks der Herbivoren

Trotz ihres wirksamen Abwehrsystems werden die Kreuzblütler von Schädlingen befallen. Kohlweißlingsraupen zum Beispiel ernähren sich ausschließlich von Pflanzen, die Glucosinolate enthalten. Sie haben einen Entgiftungsweg entwickelt, der ihnen die Nutzung dieser ökologischen Niesche erlaubt. Bei der Eiablage erkennen die Kohlweißlinge ihre Wirtspflanzen mit Hilfe von Chemorezeptoren, die auf intakte Glucosinolate ansprechen (Abb. 1).  

In unseren Forschungsprojekten beschäftigen wir uns mit der Frage, welche Mechanismen es herbivoren Insekten ermöglichen, glucosinolathaltige Pflanzen als Nahrungsquelle zu nutzen. Dabei untersuchen wir einerseits Insekten, die sich auf diese Pflanzen spezialisiert haben, z.B. den Kohlweißling (Abb. 2) oder die Kohlmotte, andererseits Insekten mit breitem Wirtspflanzenspektrum.

Aus den Raupen des Kohlweißlings (Pieris rapae) haben wir ein Protein, das nitrilspezifizierende Protein (NSP), isoliert und identifiziert, dass die Hydrolyse der Glucosinolate "umleitet" (Abb. 3). Wenn die Raupen ein Blatt beschädigen und Blattmaterial aufnehmen, wird durch die Verletzung des Blattes die Myrosinase freigesetzt. Sie hydrolysiert die ebenfalls im Blatt enthaltenen Glucosinolate, so dass normalerweise Isothiocyanate (R-NCS) entstehen. Durch das Raupenprotein NSP, dass sich im gesamten Verdauungskanal der Raupen befindet, werden die Glucosinolate bei der Hydrolyse statt zu giftigen Isothiocyanaten zu Nitrilen (R-CN) umgebaut. Die Nitrile werden mit dem Kot ausgeschieden.

In der Evolution ist dieser Mechanismus der Anpassung in der Familie der Weißlinge (Unterfamilie Pierinae) innerhalb relativ kurzer Zeit nach der Herausbildung des Glucosinolat-Myrosinase-Systems in den Pflanzen der Ordnung Brassicales entstanden. Er war mit der Herausbildung vieler neuer Arten innerhalb der Pierinae verbunden. Die Evolution des NSP ist ein Beispiel für die Koevolution von Pflanzen und Insekten, die sich aus der fortwährenden Weiterentwicklung von Abwehr- und Anpassungsmechanismen ergibt ("Evolutionäres Wettrüsten").

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