Projekt: West-To-East-Pharm

Projektübersicht

Der Einfluss übersetzter europäischer medizinischer Schriften auf frühneuzeitliche ottomanische und arabische Schriften: Ibn Sallūm al-Ḥalabī (gest. 1670)

Wenngleich die frühe Neuzeit in der arabischen Welt sich nicht durch systematische Übersetzungstätigkeiten auszeichnete, sehen Historiker*innen eine wichtige Ausnahme im Umfeld von Ibn Sallūm Al-Ḥalabī (d. 1670). Wohlbekannt als Direktor des osmanischen Gesundheitswesens, finden sich Erwähnungen in zeitgenössischen Chroniken und biografischen Enzyklopädien. Ibn Sallūm hatte Zugang zu lateinischen Quellen, der ihm das Studium zeitgenössischer europäischer Texte zur Medizin und Pharmazie eröffnete, deren Verordnungen er in seinen Büchern verwendete. So war Ibn Sallūm wesentlich beeinflusst von frühmodernen europäischen medizinischen Autoren wie Daniel Sennert (gest. 1637) und durch sie vertraut mit dem Denken von Paracelsus (gest. 1541). der die Grundlagen einer „chemischen Medizin“ geschaffen hatte durch Einführung „chymischer“ Methoden in die Produktion von Heilmitteln. Ibn Sallūm schrieb Werke in Arabisch und Türkisch, darunter das enzyklopädische türkische medizinisch-pharmakologische Handbuch Ġāyetü’l-beyān fī tedbīr bedeni’l-insān (Höhepunkt der Erläuterung bei der Behandlung des menschlichen Körpers). In diesem Buch erwähnt Ibn Sallūm mehr als zwanzig europäische Gelehrte aus Medizin und Pharmazie, darunter Johannes Jacob Wecker (gest. 1586), Valerius Cordus (gest. 1545) und Nicolas Habicot (gest. 1624). Dabei erläutert er die neuen Kenntnisse, die er diesen europäischen Quellen entnommen hat und die in früheren klassischen arabischen Werken zu Medizin und Pharmazie nicht vorkommen. Eine umfassende Untersuchung des Inhalts von Ibn Sallūms Buch mit Schwerpunkt auf Erforschung der vom Autor genannten europäischen Gelehrten steht immer noch aus. Weiterhin fehlt ein Vergleich der neugewonnenen pharmazeutischen und medizinischen Wissensbestände und ihrer Wirkung auf osmanische und arabische Kultur.

Dementsprechend beabsichtigt das vorgestellte Projekt die Beantwortung folgender Forschungsfragen: Wer sind die europäischen Autoren, die Ibn Sallūm in seinem Werk zitiert? Genau auf welche europäischen Bücher und Texte bezieht er sich? Welche Rolle spielte die Übersetzung dieser „westlichen“ Texte ins Arabische und Türkische bei der Entwicklung (oder Erweiterung) des medizinischen Wissens? In welcher Form wurden die Informationen und Konnotationen aus den europäischen Quellen selektiv aufgenommen, ignoriert oder modifiziert beim Eingang in osmanische und arabische medizinische Texte? Wie beeinflussten diese Übersetzungen die Entwicklung der arabischen Medizin und Pharmazie in der Frühmoderne?