Am 7. März fand das Braunschweiger Baubetriebsseminar statt. Dieses Jahr wurden unter dem Thema „Aufwand statt Leistung: Selbstkostenerstattung als Lösungsansatz zur Ermittlung einer adäquaten Vergütung?“ aktuelle Fragen zur Vergütung und Dokumentation vorgetragen und diskutiert.
Anlässlich des Jubiläums ein kurzer Rückblick: 2003 lud Prof. em. Rainer Wanninger unter dem Titel „Sonderfragen des gestörten Bauablaufs“ zum ersten Mal nach Braunschweig ein und schuf damit den Rahmen für eine interdisziplinäre und mittlerweile traditionsreiche Veranstaltung. Eine Konstante seit den ersten Tagen der Seminarreihe ist die interdisziplinäre Zusammensetzung der Teilnehmenden – Fachleute von Architektur- und Ingenieurbüros, Baufirmen, Bauherrenorganisationen der Privatwirtschaft und öffentlichen Hand sowie Baubetriebler und Wissenschaftler –, sodass die Themenstellungen aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden.
Die diesjährige Veranstaltung wurde von rund 180 Teilnehmenden im Braunschweiger Kultur- und Eventzentrum „Westand“ besucht. Nach der Eröffnung des Seminartags durch Prof. Patrick Schwerdtner referierte zum Einstieg Dr. Marc Pauka (BWI GmbH) über die (historische) Entwicklung und Vorgaben des öffentlichen Preisrechts, die bis 1914 (bzw. 1871) zurückverfolgt werden können. Mit einem Zitat von Friedrich Hammer karikierte Dr. Pauka die schon damals notwendige Interdisziplinarität von Juristen Baubetrieblern bei der gesetzlichen Gestaltung des Preisrechts: „Wir bringen den Juristen alle Hochachtung auf ihrem Gebiete entgegen, aber nicht in den Dingen der praktischen Arbeit; da gehen wir ihnen möglichst aus dem Wege.“ (Friedrich Hammer, 09. März 1921). Für die Diskussion stellte Dr. Pauka die „Cone of Uncertainty“ vor und plädierte auch bei Bauprojekten dafür, die Unsicherheiten über die Projektkosten im Verlauf eines Projekts bewusster zu verfolgen und stufenweise zu konkretisieren.
Im zweiten Block wurde sich den besonderen Herausforderungen im Umgang mit Gemeinkosten aus juristischer und baubetrieblicher Sicht gewidmet. Zunächst stellte der Jurist Jarl-Hendrik Kues (c.r.p. law.) rechtliche Aspekte bei der Preisfortschreibung auf Basis der Urkalkulation sowie nach den tatsächlich erforderlichen Kosten vor. Er verdeutlichte die vorhandene Rechtsunsicherheit bei der Auslegung des Begriffs der „Angemessenheit“ und schlug bspw. vor, Zuschlagssätze für Allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn bereits im Vertrag konkret festzulegen. Dr. Steffen Greune (CEM Partner) schloss sich in seinem Vortrag dieser fehlenden Begriffsschärfe an und verwies darauf, dass die „Angemessenheit“ nur bei Bezweifeln durch den Auftraggeber zwingend dargelegt werden müsse. Für eine (nachvollziehbare) Ermittlung der Baustellengemeinkosten (BGK) plädiert Dr. Greune für eine schrittweises Vorgehen. BGK müssten möglichst schon in der Kalkulation detailliert und mit Bezug auf die Ablaufplanung ermittelt werden.
Nach der Mittagspause wurde im dritten Block die Bedeutung der Selbstkostenerstattung in VOB-Verträgen thematisiert. In einem lebhaften Vortrag zeigte der Vorsitzende des 21. Zivilsenats am Berliner Kammergericht, Björn Retzlaff, die Unterschiede bei der Ermittlung von Vergütungsansprüchen nach § 2 VOB/B auf, bei der er zwischen der Substitutions- und der Differenzmethode unterschied. Ganz im Sinne des Lean-Gedankens plädierte Herr Retzlaff für eine möglichst „schlanke“ Ermittlung der Vergütungsansprüchen bei Mehrkosten auf Basis vereinbarter Zuschlagssätze, da diese nicht widerlegt werden könnten. Im zweiten Vortrag des Blocks zeigte Prof. Dr. Peter Wotschke (HWR Berlin) das Spannungsfeld zwischen kalkulatorisch, tatsächlich und tatsächlich erforderlich bei VOB-Nachträgen anhand baupraktischer Szenarien auf. Er fasste zusammen, dass das Spannungsfeld durch § 650c BGB (leider) nicht kleiner geworden ist. Vielmehr sei seiner Ansicht nach eine Verzerrung der Kosten in Nachtragsangeboten u. a. durch eine bewusste Mischung unterschiedlicher Berechnungsmethoden (tatsächlich erforderlich und auf Basis der Urkalkulation) in der Praxis zu beobachten.
Nach der Kaffeepause am Nachmittag, hielten Dr. Alexander Knopp (Schiffers Bauconsult) sowie Dr. Markus Spiegl (RiskConsult) jeweils einen Impulsvortrag zum Umgang mit Selbstkosten bei der Integrierten Projektabwicklung (IPA). Dr. Knopp zeigte am Beispiel mehrerer Szenarien für ex-ante angenommene Personalkosten die Herausforderungen bei der Ermittlung „richtiger“ Kosten- und Zuschlagssätze bei Eigenleistungen auf und empfiehlt für die Praxis, die Preisgestaltung dem Wettbewerb zu unterstellen – entweder durch reine Gewinnzuschläge oder durch eine Kombination von festgelegten Kostensätzen für die Gemeinkosten. Im letzten Vortrag beleuchtete Dr. Spiegl die Herausforderungen im Umgang mit Risiken bei IPA-Projekten und berichtete zudem aus den Erfahrungen in IPA/Allianzmodellen in Österreich. Basierend auf einer transparenten Kalkulation der Herstellkosten als Teil eines gemeinsamen Risikomanagements empfiehlt auch Dr. Spiegl, etwaige Kosten- und Zuschlagssätze dem Wettbewerb zu unterstellen.
Die abschließende Podiumsdiskussion wurde von Steffen Hantschick (Deutsche Bahn) und Gerald Etterer (W. Markgraf) ergänzt. Der „Frust“ aus vergangenen Projekten habe Gerald Etterer nach eigener Aussage dazu bewegt, bei dem Unternehmen W. Markgraf neue Wege in der Projektabwicklung zu gehen – mit bislang positiven Erfahrungen. Eine „offene Kalkulation“ führe seiner Ansicht nach zu einer Diskussion über die Qualität, statt nur über den Preis. Steffen Hantschick berichtete von den bislang positiven Erfahrungen im „Partnerschaftsmodell Schiene“. Allerdings werden sich bei IPA-Projekten auch die „Reibungen übers Geld [..] nicht in Luft auf“ auflösen. Prof. Schwerdtner wies in diesem Zusammenhang auf etwaige Mängelbeseitigungskosten hin. Herr Dr.-Ing. Knopp warnte zustimmend davor, „nicht ins klassische VOB-Denken“ zurückzufallen. Die Diskussionsteilnehmer waren sich indes einig, dass die Baubranche auch weiterhin vor einem Kulturwandel steht.
Allen am Seminar beteiligten Referenten sowie den weiteren Teilnehmern der Podiumsdiskussion sei an dieser Stelle nochmals für ihr großes Engagement herzlich gedankt. Der Dank gilt darüber allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des IBB für die intensive Vorbereitung und tatkräftige Begleitung des Seminars sowie dem Team des Westand für die Organisation der Veranstaltung.
Wir freuen uns bereits auf das kommende 21. Braunschweiger Baubetriebsseminar am 13.03.2026.