Holz ist ein vielseitiger und nachhaltiger Werkstoff, der in verschiedenen Sektoren wie dem Baugewerbe, der Möbelherstellung und dem Innenausbau verwendet wird. Für eine effiziente Bearbeitung heutigen Nachfrage nach kundenindividuellen Bauteilen ist es erforderlich, dass die Maschinen und Systeme flexibel an die Variantenvielfalt der Werkstücke bei oftmals kleinen Losgrößen anpassbar sind. Neben den hohen Anforderungen durch zahlreiche individuelle Kundenwünsche besteht in der spanenden Bearbeitung von Holz- und Verbundwerkstoffen eine zweite Problemstellung in Form von hohen Span- und Staubemissionen. Die Späne und der Staub beeinträchtigen insbesondere das notwendige Bedienpersonal gesundheitlich. Daher müssen die entstehenden Stäube und Späne in den Maschinen effektiv erfasst und entfernt werden.
Die aktuell in Betrieben eingesetzten Absaughauben sind nicht flexibel und kurzfristig an die schnell wechselnden Werkzeug- und Werkstückgeometrien sowie Fertigungsprozesse anpassbar. Daher erfolgt die Einrichtung eines Fertigungsprozesses auf einer stationären Holzbearbeitungsmaschine meistens ohne eine Neuausrichtung der Absaughaube. Dadurch ist die geometrische Form der Absaughaube grundsätzlich nicht passend zum Werkstück gestaltet oder orientiert, wodurch es zu einer ungenügenden Spanerfassung kommt. Als Ausgleichmaßnahme wird oftmals versucht, mit sehr hohen Absaugvolumenströmen und Absaugleistungen die Spanerfassung wieder zu verbessern. Trotz dieses energieintensiven Vorgehens wird eine ausreichende Spanerfassung nur selten erreicht und kostspielige, nachträgliche Reinigung bleibt erforderlich.
Zur Abhilfe dieser technischen und wirtschaftlichen Probleme wurden in diesem Kooperations-Forschungsprojekt neue Absaughaubenkonzepte entwickelt und getestet. Das Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik (IWF) der TU Braunschweig fokussierte sich auf die Entwicklung und Ausarbeitung von passiven Konzepten. Hierbei erfolgt ein schnelles Einrichten und Anpassen der Spanabsaugung an den Zerspanprozess sowie an die Werkstück- oder Werkzeuggeometrie durch eine formflexible Absaughaube, die durch eine Abformung am Werkstück eingestellt werden kann.
Das Institut für Werkzeugmaschinen (IfW) der Universität Stuttgart hat auf der anderen Seite die Untersuchung von aktiven Absaughaubenkonzepten weiter vorangetrieben und ausgearbeitet. Hierbei wurde ein aktiver Ansatz untersucht, welcher auf einer mehrteiligen Absaughaube basiert und anhand derer untersucht wird, wie durch Stellglieder Absaughaubenteilbereiche aktiv zur Umlenkung und Erfassung des Spänestrahls positioniert werden können.
Die nachfolgende Grafik zeigt die durchgeführten Arbeiten der beiden Forschungsstellen:
Im Verlauf des Forschungsvorhabens wurden unter anderem folgende Absaughauben entwickelt und gefertigt:
Bei dem aktiven Absaughaubenkonzept soll die kinetische Energie der Partikel bei deren Absaugung genutzt werden. Wie in der nachfolgenden Entwurfsskizze dargestellt, werden die Absaugöffnungen rund um die Bearbeitungsspindel (Zerspanstelle) angeordnet. Diese Absaugöffnungen werden jeweils in der Richtung des Spänestrahls aktiv geschaltet und ausgerichtet, um die dort anfallenden Partikel zu erfassen. Eine Steuerungseinheit regelt die Höhen-Positionierung (z-Richtung) der derjenigen Absaugöffnungen, die gerade im Prozess benötigt werden, um den Spänestrahl im Bearbeitungsprozess abzudecken und zu erfassen. Die im Zerspanungsprozess entstehenden Partikel fliegen dadurch in die entsprechend positionierte Absaugöffnung.
Die nachfolgend dargestellte, passive Absaughaube nach dem Formkissenprinzip wird durch Kontakt mit dem Werkstück abgeformt. Dabei verteilt sich das Granulat im Inneren des Formkissens formschlüssig entlang der Werkstückgeometrie. Durch die anschließende Beaufschlagung des Formkissens mit Vakuum wird das Granulat fest aneinandergepresst und die aktuelle Form des Kissens somit „eingefroren“. Die Form der Haube bleibt für die Dauer des Zerspanprozesses auch ohne Werkstückkontakt an die Werkstückform angepasst und der Spänestrahl kann durch die Absaughaube optimal erfasst werden. Nach Abschluss des Zerspanprozesses kann die Form der Absaughaube durch Löschen des Vakuums beliebig oft zurückgesetzt und neu abgeformt werden.
Beim Abformen eines Werkstücks mit der nachfolgend dargestellten Absaughaube nach dem Formgedächtnisprinzip werden die Formgedächtnisdrähte durch Anfahren der Objektkontur in die gewünschte Position gebogen. Zum vollständigen oder auch teilweisen Zurücksetzen der Haube in die Ausgangsform unter Nutzung des Einwegeffekts können die gewünschten Drahtabschnitte durch Bestromung auf die Umwandlungstemperatur (hier ca. 80°C) erwärmt werden, bis diese sich in die Ausgangsform zurückformen.
Das Ziel des Vorhabens, adaptive und formflexible Absaughaubensysteme zu entwickeln, wurde vollständig erreicht. Mit den entwickelten Absaughauben konnten in abschließenden Zerspanversuchen für einige Bearbeitungsszenarien bereits Spanerfassungsgrade besser 99% erreicht werden.
Die erzielten Forschungsergebnisse haben für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) aus dem Bereich der Holz- und Verbundwerkstoffzerspanung eine hohe wirtschaftliche Bedeutung, da durch den Einsatz von adaptiven und formflexiblen Absaughaubensystemen eine effektive Staub- und Spanerfassung erreicht werden kann. Diese ermöglicht eine Reduzierung der Gesundheitsrisiken sowie der elektrischen Leistung der Absaugung, die sich direkt auf die Energiekosten eines Betriebes auswirkt.
Hinweis zur Verfügbarkeit des zugehörigen Schlussberichtes:
Der Schlussbericht des Vorhabens kann über das Forschungskuratorium Maschinenbau (FKM) e. V. bezogen werden (Postanschrift: Lyoner Str. 18, 60528 Frankfurt am Main, E-Mail: info@fkm-net.de, Tel.: +49 69 6603 1352). Zusätzlich wird der Schlussbericht in Kürze bei der Technischen Informationsbibliothek (TIB) der Leibniz-Universität Hannover veröffentlicht und auf dieser Webseite verlinkt werden.