Automatentitan

Automatentitan

Entwicklung leicht bearbeitbarer Titanlegierungen - Automatentitan

Der Abschlussbericht zu diesem Forschungsprojekt kann hier eingesehen werden.

Einführung

Für den Einsatz von Titanwerkstoffen in technischen Anwendungen sind in der Regel verschiedene Faktoren maßgeblich. Die guten mechanischen Eigenschaften des Titans in Kombination mit einer geringen Dichte, einer sehr guten Korrosionsbeständigkeit und Biokompatibilität führen dort zum Einsatz von Titanwerkstoffen, wo sich Stähle oder Aluminiumwerkstoffe nicht eignen, wie zum Beispiel in hoch belasteten Bauteilen der Luft- und Raumfahrttechnik, im Hochleistungsmotorenbau, im Anlagenbau für die chemische Industrie und in der Medizintechnik. Der Verwendung von Titanwerkstoffen in der Großserienfertigung stehen die hohen Rohstoffkosten, bedingt durch die aufwändige Erzaufbereitung und die schlechte Bearbeitbarkeit entgegen: Beim Drehen und Bohren von Titanwerkstoffen entstehen so genannte Wickelspäne, die sich im verlauf der Bearbeitung um die Werkzeuge wickeln, die Bearbeitung behindern und im Extremfall zu einem Bruch des Werkzeugs führen können. Eine Automatisierung der Fertigung ist daher zur Zeit nicht möglich.

In vielen Bereichen, in denen Aluminiumlegierungen an ihre Festigkeitsgrenze stoßen und deshalb substituiert werden müssen, sind Titanlegierungen überdimensioniert. Entsprechend wären geringfügig geminderte mechanische Eigenschaften eines Titanwerkstoffs akzeptabel, wenn sich die Fertigungszeiten und -kosten, die mit der Titanbearbeitung verbunden sind, deutlich reduzieren ließen. Selbst bei leicht verminderter Festigkeit wären spanbare Titanwerkstoffe sämtlichen Aluminiumlegierungen weiterhin überlegen und stellten damit in Hinblick auf eine gewichtsoptimierte Konstruktion eine Alternative dar, um Leichtbaukonzepte bei sehr guten mechanischen Eigenschaften unter Verwendung metallischer Werkstoffe zu realisieren. In Anwendungen, in denen die chemische Beständigkeit gegenüber korrosiven Medien eine entscheidende Rolle spielt, kommt den mechanischen Eigenschaften meist eine untergeordnete Bedeutung zu. Die Klasse der leicht spanbaren Titanlegierungen könnte vermutlich unter diesen Einsatzbedingungen besonders geeignet sein und die Fertigungskosten stark senken.

Ein Großteil der Titanforschung beschäftigt sich dennoch mit der Verbesserung der mechanischen Eigenschaften, also mit einer Optimierung des Werkstoffs für die klassischen Einsatzgebiete der Titanwerkstoffe. Ein weiterer Schwerpunkt wird auf die mögliche Verwendung von Titanlegierungen bei Temperaturen oberhalb von 540°C gelegt. Insbesondere das Problem der Oberflächenoxidation und der Sauerstoffaufnahme beschränken den Hochtemperatureinsatz von Titan bisher.

Am Institut für Werkstoffe der Technischen Universität Braunschweig wird bewusst ein anderes Ziel verfolgt: Im Rahmen des Forschungsprojekts Spanen von Titan wurden Titanlegierungen mit verbesserter Bearbeitbarkeit unter Einsatz von Lanthan (Automatentitan) entwickelt.

Um die spanende Bearbeitbarkeit der Legierung TiAl6V4 zu verbessern, wurden dem Grundwerkstoff geringe Mengen an Lanthan (zwischen 0,9% und 2,8%) zulegiert. 2,8% Lanthan stellen unter diesen Bedingungen den maximal möglichen Lanthangehalt dar, der sich zu der Titanlegierung hinzufügen lässt. Auf Grund der geringen Löslichkeit des Lanthans in Titan bei Temperaturen unter 300°C besteht das Gefüge bis zu einem Lanthangehalt von 1,5% aus einer Titanmatrix mit diskret ausgeschiedenen, kugelförmigen, lanthanreichen Partikeln, die einen Durchmesser zwischen 2µm und 10µm haben, siehe Abbildung 1.

Automatentitan

Abbildung 1: Mikrostruktur des Werkstoffs TiAl6V4La1,4: Titanmatrix (hell) mit dunklen lanthanhaltigen Partikeln vornehmlich auf den Korngrenzen.

Die mittlere Partikelgröße ändert sich mit steigendem Lanthangehalt bis zu 1,5% Lanthan nur unwesentlich. Der Partikelabstand nimmt mit zunehmendem Lanthangehalt ab, erreicht jedoch bei höheren Lanthangehalten eine Sättigung. Die Korngrenzen der Titanmatrix sind in diesem Fall flächenartig mit lanthanreicher Phase dotiert.

Der lanthanhaltige Werkstoff wurde in Außenlängsdrehversuchen und Bohrversuchen auf seine Spanbarkeit untersucht. Es zeigte sich, dass beim Spanen der lanthanhaltigen Legierungen ein kurz brechender Span entsteht, wobei die Länge der Spanfragmente mit steigendem Lanthangehalt abnimmt, s. Abbildungen 2 und 3.

Automatentitan

Abbildung 2: Spanformen verschiedener Titanlegierungen, TiAl6V4 (links), TiAl6V4La0,9 (Mitte), TiAl6V4La2,8 (rechts).

Abbildung 3: Detaillierte Spananalyse im Rasterelektronenmikroskop, die Werkstofftrennung zwischen den Spansegmenten (Mitte und rechts) ist deutlich zu erkennen.

Durch die kurz brechenden Späne bei der Bearbeitung wird die Zerspanung von TiAl6V4 durch die Zugabe von Lanthan in mehrfacher Hinsicht verbessert: 1. Durch die kurze Kontaktlänge zwischen der Spanfläche des Werkzeugs und dem abgleitendem Span in der sekundären Scherzone wird die thermische Belastung des Werkzeugs vermindert, so dass der Werkzeugverschleiß um etwa 20% sinkt. 2. Die Schnittkräfte beim Drehen vermindern sich entsprechend ebenfalls um etwa 20%. 3. Die Oberflächenrauhigkeit von außen längsgedrehten Proben verringert sich um 15%. 4. Auf Grund der kurz brechenden Späne ist jetzt eine Automatisierung der Fertigung möglich, da sich die entstehenden Spanfragmente leicht durch Druckluft oder Kühlschmierstoffe aus der Prozesszone entfernen lassen, ohne den Prozess zu unterbrechen.

Aktuelle Forschung

Ziel des aktuellen Forschungsvorhabens ist es, den Zusammenhang zwischen Mikrostrukturentwicklung, mechanischen Eigenschaften und Korrosionsbeständigkeit der neuen lanthanhaltigen Automaten-Titanlegierungen genau zu untersuchen. Zu erwarten ist, dass Lanthan die mechanischen Eigenschaften und die Korrosionsbeständigkeit nicht nur beeinflusst, weil sich eine weitere Phase (die Lanthanpartikel, bzw. La2O3 an der Oberfläche) mit andersartigen Eigenschaften ausscheidet. Zudem können weitere Gefügeveränderungen auftreten, z.B. indem die Ausscheidungsteilchen Rekristallisation und Kornwachstum bei der Warmumformung behindern und das zusätzliche Legierungselement zu einer veränderten β-Transustemperatur führt, die Einfluss auf das mechanische Verhalten und die Korrosionsbeständigkeit nehmen. Beispiel haft für die mechanischen Eigenschaften ist in Abbildung 4 die Ermüdungsfestigkeit im Zugschwellversuch dargestellt.

Automatentitan

Abbildung 4: Ermüdungsfestigkeit (Zugschwellbelastung) der Legierung TiAl6V4La0,9. Abbruch des Versuchs nach 5 x 106 Zyklen.

Durch die Untersuchungen sollen die neuen Automaten-Titanlegierungen für eine industrielle Nutzung, z.B. in der chemischen Technik, der Sanitärbranche oder der Medizintechnik, qualifiziert werden.

Literatur

[1] Siemers, C.; Jencus, P.; Baeker, M.; Roesler, J.; Feyerabend, F.: A new free machining Titanium alloy containing Lanthanum, Proceedings of the Titan 2007 World Conference, Vol. I, pp. 709 - 712, Kyoto, Japan, 2007, ISBN 978-4-88903-406-6.

[2] Jencus, P.; Siemers, C.; Kopsidis, M.; Roesler, J.: Influence of Lanthanum on the α-β Transformation Kinetics in Ti 6Al 4V, Proceedings of the Titan 2007 World Conference, Vol. I, pp. 407 - 410, Kyoto, Japan, 2007, ISBN 978-4-88903-406-6.

[3] Siemers, C.; Rösler, J.; Jencus, P.; Erwert, J.: Automatentitan - Entwicklung, Eigenschaften, Anwendungen, in: Tagungsband des 9. Werkstofftechischen Kolloquiums, Chemnitz, Schriftenreihe Werkstoffe und Werkstofftechnische Anwendungen, Vol. 24, 2006, 108 -113, ISBN 3-00-019101-1.

[4] Siemers, C.; Bäker, M.; Rösler, J.: The Free-machining Titanium Alloy Ti6Al4V0.9La, Rare Metal Materials and Engineering, Vol. 35 (Supplement I), February 2006, 320 - 323.

[5] Rösler, J.; Bäker, M.; Siemers, C.: Verfahren zum Zerspanen eines Werkstücks aus einer Titan-Basislegierung, Deutsches Patent DE 103 32 078, DPMA Publikationen, Januar 2005.

Förderung

Die beschriebenen Untersuchungen werden gemeinsam mit dem Karl-Winnacker-Institut der DECHEMA e.V. im Rahmen eines durch die AiF geförderten Forschungsvorhabens (Projektnummer AiF 253 ZN) durchgeführt.

Das Projekt wurde am 1.4.2007 gestartet und läuft bis zum 30.9.2009.

Weitere Informationen

Verantwortlich für dieses Forschungsprojekt ist Carsten Siemers.