Kalorimetrie

Ein Meßverfahren zur sehr genauen Bestimmung kleiner Wärmemengen ist die Dynamische Differenz-Kalorimetrie. Mit dieser kalorischen Methode werden Wärmestromdifferenzen zwischen einer Probe und einer Vergleichsprobe gemessen, während beide einem vorgegebenen Temperatur-Zeit-Programm unterworfen werden. Es existieren zwei technisch unterschiedliche Verfahren, die jedoch beide unter dem Begriff "Differential Scanning Calorimetry (DSC)" zusammengefaßt werden.

1. Wärmestrom-Differenz-Kalorimetrie

Auf einer wärmeleitenden Scheibe im Inneren eines Ofens sind symmetrisch zum Mittelpunkt Probe und inaktive Referenz positioniert. Bei thermisch gleichem Verhalten sind die Wärmeströme vom Ofen zur Probe (dQFS/dt) und zur Referenz (dQFR/dt) betragsmäßig gleich, es ist keine Temperaturdifferenz TSR meßbar. Wird bei einer Reaktion der Probe Wärme verbraucht oder freigesetzt, entsteht eine Temperaturdifferenz. Die Wärmeströme passen sich an, um dieses Ungleichgewicht auszugleichen.

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Schnitt durch ein Wärmeleitungskalorimeter

Die aktuelle Temperaturdifferenz wird gemessen und ist proportional zum Unterschied der Wärmeströme. Nach geeigneter Kalibrierung erlaubt sie eine Bestimmung der Umwandlungswärme. Materialwahl, Bauform und Probe bestimmen über die Wärmeleitfähigkeit die Empfindlichkeit und Zeitkonstante dieses Gerätetyps.

2. Leistungskompensierte Differenz-Kalorimetrie

Innerhalb einer temperaturkonstanten Umgebung sind in gleicher Weise zwei Systeme aus Heizelement und Temperaturfühler für Probe und Referenz getrennt angeordnet. Eine Regelung versorgt jedes System jeweils mit der elektrischen Heizleistung, um das vorgegebene Zeit-Temperatur-Programm einzuhalten und TP gleich TR zu machen. Bei gleichem thermischen Verhalten sind die Heizleistungen für Probe und Referenz gleich.

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Schnitt durch ein leistungskompensiertes Kalorimeter

Bei einer Probenumwandlung ergibt das Regelungsprinzip eine Differenz der Heizleistungen. Diese ist das direkte Maß des Wärmestroms in bzw. aus der Probe infolge der Umwandlung. Für eine verzögerungsfreie Messung sollte die thermische Masse des Meßsystems möglichst klein sein.

Beide kalorische Verfahren erlauben die Messung von reversiblen und irreversiblen Umwandlungswärmen als auch die Bestimmung der spezifischen Wärme einer Probe. Das schließlich dargestellte Meßsignal zeigt die Differenzheizleistung, welche durch den Unterschied der Wärmeflüsse in die Probe und Referenz zustande kommt.

Bei einer klar abgegrenzten Umwandlung ergibt sich so ein etwa glockenförmiger Peak, der je nach dem, ob bei der Umwandlung insgesamt gesehen Wärme in die Probe hineingeht (endotherm) oder aus ihr herauskommt (exotherm) vereinbarungsgemäß nach oben oder unten gerichtet ist. Abhängig von der Versuchsführung (konstante Temperatur oder konstante Heizrate) wird über der Zeit oder Temperatur aufgetragen.

Aus der Fläche unter dem Peak kann die Umwandlungsenergie bestimmt werden.

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Bestimmung der Umwandlungsenergie aus dem Reaktionspeak einer kalorischen Messung

Aus der Verschiebung der Peaklage bei einer anderen konstanten Heizrate kann mit der Kissinger-Methode (H.E. Kissinger, "Reaction Kinetics in Differential Thermal Analysis", Analytical Chemistry, vol. 39, no. 11 (1957)) ein weiterer wichtiger Parameter zur Beschreibung vom thermisch aktivierten Umwandlungen gewonnen werden: die Aktivierungsenergie. Diese gibt an wie leicht oder schwer die Umwandlungsgeschwindigkeit der Reaktion durch eine Veränderung der Temperatur beeinflußt werden kann. Aus ihrer Größe können zudem Rückschlüsse auf die physikalischen Prozesse getroffen werden, welche der Umwandlung mikroskopisch zugrunde liegen.

Zu beachten ist, daß sich bei einer Auftragung über der Temperatur die Fläche unter der Kurve bei anderer Heizrate zu verändern scheint. Da aber jedesmal die gleiche Umwandlung gemessen wird, ist dies nicht der Fall. Vielmehr wird das Temperaturintervall der Umwandlung bei einer höheren Heizrate in einer kürzeren Zeit durchfahren. Entsprechend muß in dieser kürzeren Zeit ein stärkerer Wärmefluß (Heat Flow) auftreten, um die gleiche Fläche zu ergeben.

Die folgenden Beispiele zeigen das Umwandlungsverhalten einer Formgedächtnislegierung aus Nickel und Titan, die Rekristallisation von verformtem Kupfer, die Kristallisationsreaktionen einer amorphen metallischen Legierung und die Vorgehensweise zur Messung der spezifischen Wärme eines Materials.