IEX | Ayat Tarik gewinnt Förderpreis des Deutschen Instituts für Stadtbaukunst 2020

„Das städtische Haus“ ist das Thema des studentischen Förderpreises Stadtbaukunst, den das Deutsche Institut für Stadtbaukunst gemeinsam mit der Zeitschrift wettbewerbe aktuell auslobt. In diesem Jahr hat Ayat Tarik den ersten Preis gewonnen. Wir gratulieren!

Zum Entwurf:

Das neue Bremer Haus

Bremen ist geprägt von den Altbremer Haus Typologien, eine Reihenhäuserform die ca. Mitte des 19.Jahrhunderts entstanden ist. Während in Berlin und Hamburg überwiegend die Mietskasernen gebaut wurden, lebten die Bremer “über ihre Verhältnisse”. Dieser Entwurf beschäftigt sich mit den Typologien der Altbremer Häuser, welche es gilt zu analysieren, transformieren und als Basis für das “Neue Bremer Haus” zu verwenden. Als Planungsgebiet soll die Überseestadt fungieren. Im Zentrum des Gebietes befindet sich das Quartierszentrum, welches durch eine große Grünfläche markiert wird und mit einer Fußgängerbrücke den unteren Teil des Gebietes erschließt. Das Quartier wird nochmal durch eine Parkanlage geteilt und es entsteht ein weiteres Zentrum. Im Gegensatz zu den großen Speichertypologien stehen die kleinteiligen Reihenhäusertypologien, die aus bestehenden Strukturen aus dem Stadtraum Bremen entnommen und neu angeordnet wurden. Hier liegt das Augenmerk eher auf das “unordentliche” und nicht perfekte, was die meisten in einer Stadt sehr schätzen.

Im Norden, am Waller Sand, befindet sich der ausgewählte Häuserblock, der im weiteren Schritt gestaltet wird. Es ergeben sich vier Situationen, auf die der Block reagieren muss. Für diese Situationen wurden mehrere Gebäudetypen gestaltet. Gebäudetyp I befindet sich überwiegend am Weg zum Platz und an der Allee, da im Erdgeschoss für diesen Typen öffentliche Nutzungen vorgesehen sind. Diese zeichnen sich in der Fassade ab, indem der öffentliche Bereich des Gebäudes nach vorne geschoben wird und darüber einen Balkon ausbildet. Grundtyp II befindet sich in der Nebenstraße und an der Promenade zum Europahafen, wo die Gebäude auch einen Vorgarten besitzen. Charakteristisch für diesen Typ sind die Loggien, die einen privateren Außenraum bieten. Die Erdgeschosszonen werden durch private Nutzung dominiert, wobei eine Umnutzung in eine öffentliche Nutzung möglich wäre. Um den gemeinschaftlichen Innenhof zu erschließen befinden sich in der Nebenstraße zwei Durchgangshäuser und am Gehweg zum Platz ein großes Durchgangshaus. Im Erdgeschoss öffnen sich drei bzw. zwei Tore zum Hof und richten sich je nach Situation an den jeweiligen Gebäudetyp. Da die Altbremer Häuser bisher überwiegend in Zeilenbau existieren, ist für einen Block ein Eckgebäude nötig. Als Ecklösung zeigt sich ein Gebäude bestehend aus zwei übereinander gestapelten Häusern, die jeweils die Richtung ihrer Reihe aufnehmen und ineinandergesteckt werden.

Die Fassaden der Altbremer Häuser werden zur Straßen- und natürlich Schauseite sehr aufwendig gestaltet und repräsentieren den Wohlstand ihrer Besitzer, wohingegen die Hofseite sehr schlicht ist. Dieses Prinzip wurde in den neuen Bremer Häusern so übersetzt, dass die Fassaden zu den Straßen drei Geschosse besitzen und sich im Grundriss eher die gemeinschaftlichen Räume befinden, die durch die vier Geschosse zum Hof an Höhe gewinnen. Zum Hof sollen dann meist die ruhigeren Räume wie Schlafzimmer angeordnet werden. In der Grundrissgestaltung bietet das Prinzip der aufgeweiteten Wände zwischen den Häusern eine klare Raumaufteilung, in den Wänden verschwinden sanitäre Einrichtungen, Lagerflächen, Schränke, Küchen und die Erschließung des ganzen Hauses. Zwischen diesen Wänden spannt sich der Wohnraum auf, der je nach Gebäudetyp mit drei oder zwei Fenstern belichtet wird. Der Innenraum bleibt durch die weißen Wände sehr ruhig und einfach, als Kontrast dient in Wohn- und Schlafräumen der warme Holzboden. Durch das Splitlevel werden die vorderen Räume gegen die Räume zum Hof verschoben und durch Treppen in den Wänden erschlossen.

Alle Gebäude könnten als ein Haus für eine große Familie oder als Mehrgenerationenhaushalt genutzt werden, jedoch steigen zurzeit die Zahlen der Single Haushalte. Dementsprechend können die Häuser in maximal drei Wohneinheiten aufgeteilt werden. Das Erdgeschoss kann eine Wohnung für z.B. Senioren oder im Alltag- Eingeschränkte sein oder eine öffentliche Nutzung beinhalten. Im eingerückten Eingangsbereich befindet sich dafür die Eingangstür und die Treppe die zur zweiten Wohneinheit führt, in der beispielsweise ein Pärchen oder eine einzelne Person leben könnte. Im obersten Geschoss befindet sich eine Zweizimmerwohnung, die für viele Einwohner in Frage kommen würde. Man könnte das Gebäude auch nur in zwei Einheiten aufteilen und eine Zweizimmerwohnung unten und eine Dreizimmerwohnung oben haben. Diese Szenarien kann man je nach Bedarf durchlaufen und sich für den jeweiligen Gebäudetyp entscheiden. Diese Neuinterpretation des Bremer Hauses bietet Möglichkeit die Reihenhäuser als neue Stadthäuser mit mehreren Wohneinheiten zu nutzen. Durch das Entwickeln von mehreren Grundtypen, Durchgangstypen und einer Ecklösung können in Bremen neue Blöcke nach Baukastensystem realisiert werden, je nach Budget und Bedarf.

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