Veröffentlichung

Arndt, S.:
Warnrelationen – inhalts- und ausdrucksseitige Identität, Ähnlichkeit und Unähnlichkeit in semasiologischer Terminologiearbeit.
ars grammatica, 2017. Institut für Deutsche Sprache (IDS).

Kurzfassung:

Der Beitrag geht der Frage nach, welche Relationstypen zur Relationierung von Fachtermini Rezipienten den Zugang und Umgang mit Terminologie erleichtern. Der Fokus des Beitrags liegt allgemein auf Terminologiemodellierung (nicht auf grammatischer Terminologie). Terminologische Ressourcen bieten ihren Nutzern Orientierung bei der Durchdringung eines Themengebietes oder der Kommunikation darüber. Bedingt durch ihre „double dimension“ (Santos & Costa 2014: 155) enthalten sie einerseits Begriffe (Abbilder untersuchter Gegenstände), andererseits deren sprachliche Repräsentanten (vgl. Hoffmann 1999). Deskriptive, onomasiologische Terminologiearbeit dokumentiert Begriffe und stellt ihre Beziehungen in Begriffssystemen dar. Zudem ordnet sie diesen Wortschatzeinheiten zu. Die Zuordnung ist häufig mehrmehrdeutig (vgl. Roelcke 1991), was die Nachvollziehbarkeit der Terminologie beeinträchtigt. Wird Eineindeutigkeit verfolgt (vgl. Picht, Arntz & Schmitz 2014: 117), ist sie präskriptiv zu bewerten. Synonymie und Ambiguität werden dadurch vorkommunikativ vermieden. Terminologien befähigen Nutzer zur korrekten Auswahl von Begriffen und Ausdrücken sowie zu präziser fachlicher Kommunikation. Ihrer Funktion als Wissensressourcen kommen Terminologien durch die Angabe von Definitionen sowie die explizite Angabe von Relationen zwischen einzelnen Begriffen nach. Letztere können auch zur Visualisierung von Begriffssystemen genutzt werden (vgl. DIN 2331:1980-04). Hierzu bieten sich z.B. hierarchische (Abstraktionsbeziehungen, Bestandsbeziehungen) oder nicht-hierarchische Relationen (sequentielle Beziehungen, oppositionelle Beziehungen, etc.) an (vgl. DIN 2330:2013-07). Die Relationstypen sind je nach Interesse des abbildenden Fachgebiets zu wählen. Die Relationierung erleichtert dem Nutzer den Einstieg in ein Themengebiet. Terminologien erlauben zudem die Recherche sprachlicher Informationen, indem sie Angaben zur Ambiguität, aber auch zur Synonymie sprachlicher Ausdrücke machen. Hierbei handelt es sich um einen anderen Typ von Relationstypen, den onomasiologische Ressourcen oft nur implizit über die Zuordnung von Ausdrücken zu Begriffseinträgen festhalten. Die Terminologielehre beschreibt sie als quantifizierbare Zuordnungsrelation zwischen Bezeichnungen und Begriffen (vgl. DIN 2330:2013-07, Müller 2015). Dies basiert auf einem Verständnis von Wortschatzelementen als rein formalen Einheiten (vgl. DIN 2342:2011-08, Depecker 2014). Ihre Beschreibung über die Kardinalität der Zuordnungsrelation ist jedoch problematisch: Ob die Zuordnung polysem oder polynym ist, kann nur kontrastiv ermittelt werden. Hierbei bietet sich an, Wortschatzeinheiten als bilaterale Zeichen aufzufassen, die sich mindestens in eine Inhalts- und Ausdrucksseite zerlegen lassen. Herbermann 1995 diskutiert dieses Problem zur Distinktion verschiedener Ambiguitätstypen. Ansätze wie Müller 2015 müssen zur Aufrechterhaltung distinkter Ambiguitätstypen neben der Kardinalität weitere Kriterien hinzuziehen (vgl. Müller 2015: 25). In der nationalen Normung wird die Distinktion insgesamt aufgegeben (vgl. DIN 2330:2013-07: 26). Herbermann 1995 sieht die Distinktion als beibehaltbar an, wenn man im Fall von Polysemie eine motivierende Beziehung zwischen ausdrucksseitig identischen Zeichen annimmt, die bei Homonymie nicht gegeben ist (vgl. hierzu auch Marzo 2012). Relationstypen wie Synonymie, Polysemie und Homonymie sind sowohl auf den Ausdruck als auch auf den Inhalt bezogen. Die Beziehungen zwischen Ausdrücken von Zeichen einerseits und Inhalten andererseits können dabei identisch, ähnlich oder unähnlich sein. Auf dieser Basis möchte der Beitrag eine Systematik von Relationstypen vorschlagen. Deren explizite Dokumentation in terminologischen Ressourcen erleichtert Nutzern den Zugang und Umgang mit Terminologie, da sie warnenden Charakter haben. Potentielle Missverständnisse in der Kommunikation werden so bereits vorkommunikativ markiert und der Gefahr von ähnlichkeits- oder identitätsbedingten Verwechslungen wird vorgebeugt. Relevant ist dies nicht nur zum Erreichen kommunikativer Eineindeutigkeit, sondern z.B. auch für Übersetzungen. Hier kann es sinnvoll sein falsche Freunde anzugeben, um Übersetzungsfehler zu vermeiden. Bei ausdruckseitiger Ähnlichkeit besteht bei falschen Freunden inhaltsseitige Unähnlichkeit. Begriffsorientierte Visualisierungen zur Abbildung von Begriffseinträgen könnte dieses Relationstypensystem jedoch vor Herausforderungen stellen, da sie sich auf Elemente unterhalb der Begriffsebene (vgl. DTT 2014: M2-8) beziehen. Im Rahmen des Beitrags sind deswegen onomasiologische Darstellungsformen von Terminologiesystemen gegen semasiologische abzuwägen oder zu integrieren.