IGeo | Das Geheimnis der Seesedimente

Forschungsprojekt rekonstruiert die Klimageschichte der Tropen Amerikas

Wie hat sich das Klima im Laufe der vergangenen 135.000 Jahre in den Tropen Nord- und Mittelamerikas entwickelt? Und wie haben die Ökosysteme auf die Klimaveränderungen reagiert? In einem internationalen Projekt unter Leitung von Professorin Antje Schwalb, Leiterin des Instituts für Geosysteme und Bioindikation (IGeo) der TU Braunschweig, und Dr. Liseth Pérez, wissenschaftliche Mitarbeiterin am IGeo, geht ein Forschungsteam diesen Fragen auf den Grund – im wahrsten Sinne des Wortes.

Denn um die Klimageschichte der nördlichen Neotropen zu rekonstruieren, wurde tief gebohrt im Chalco-See in Zentralmexiko und im Petén-Itzá-See im nördlichen Guatemala. Die Ablagerungen in diesen Seen sind natürliche Klimaarchive, die über die Bedingungen in einem bestimmten Erdzeitalter Aufschluss geben.

„Die Neotropen, zu denen auch das Festlandgebiet von Zentralmexiko bis Südamerika gehört, sind eine Region von zentraler Bedeutung für globale Klimadynamik“, sagt Liseth Pérez. „Wir untersuchen, wie und in welcher Geschwindigkeit sich die Ökosysteme an die sich ändernden Umweltbedingungen angepasst haben, um besser vorhersagen zu können, wie sich die sensiblen Ökosysteme der Neotropen unter einem zu erwartenden trockeneren und wärmeren Klima entwickeln werden.“

Wertvoller Schatz für Paläoklimaforschende

Die Tiefbohrungen fanden 2006 in Guatemala und 2016 in Mexiko statt. „Wenn im Chalco-See 300 Meter tief gebohrt wird, enthalten die Bohrkerne Sedimente aus den vergangenen 400.000 Jahren. Das ist für Paläoklimaforschende ein wertvoller Schatz“, sagt Liseth Pérez, die während beider Bohrungen vor Ort war. Die Sedimentkerne aus den Seen werden im LacCore-Labor der University of Minnesota (USA) archiviert und sind Forschenden weltweit zugänglich.

„Für unsere aktuelle Studie bestellen wir Proben der Seesedimente, um diese mit einem Multi-Proxy-Ansatz zu analysieren“, sagt die Wissenschaftlerin. Dabei kommt auch ein neuer organischer Temperatur-Proxy, ein Temperatur-Indikator, zum Einsatz: Der HDI26 (heterocyte diol index of 26 carbon atoms) wurde von einem internationalen Forschungsteam um Dr. Thorsten Bauersachs vom Institut für Geowissenschaften der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) entwickelt, der ebenfalls am Projekt beteiligt ist. 

Neu entwickelter Temperatur-Proxy im Einsatz

Dieser Proxy ermöglicht erstmals, die Wassertemperaturen kontinentaler Gewässer nachzubilden. Mit Hilfe des HDI26 ist es einem Team von Forschenden – zu dem auch Thorsten Bauersachs und Antje Schwalb gehören – gelungen, die Klimageschichte Ostafrikas anhand von Sedimentablagerungen des Tanganyikasees, dem zweitgrößten Sees Afrikas, zu rekonstruieren – und das über die letzten 40.000 Jahre. Die internationale Studie, unter Leitung der CAU, wurde kürzlich in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.

Zurück in die Tropen Nord- und Mittelamerikas: Das Forschungsteam, zu dem seit diesem Jahr auch der Doktorand Rodrigo Martínez-Abarca gehört, hat mit der Auswertung der Daten bereits begonnen. Im nächsten Schritt werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Studie ihre Ergebnisse aus den Klimarekonstruktionen der Ablagerungen der Seen Chalco und Petén-Itzá mit denen anderer kontinentaler und mariner Klimaarchive aus den Neotropen vergleichen, um beispielsweise zu klären, ob und wann die Wetterküche eher im Atlantik oder im Pazifik aktiv war.   

Meldung von Nicole Geffert im MAGAZIN der TU Braunschweig